EINE GESCHICHTE VON NIEDERÖSTERREICH

Während der wirtschaftlichen Depression gegen Ende der 20er Jahre wurde mein damals ungefähr vierjähriger Vater bei einer Försterfamilie im südlichen Niederösterreich untergebracht. Er verbrachte dort drei oder vier Jahre, über die in der Familie nie sehr viel gesprochen wurde. Er war dort fremd, ungeliebt, ein lästiger zusätzlicher Einkommensfaktor.

"So wie es viele Bauern dieser und anderer Regionen tun, wurde immer gespart. Es musste vielleicht auch gespart werden, was weiss ich, und in Notzeiten umso mehr.. Und während die verbleibenden mageren Rationen an die notleidenden Städter verkauft wurden, versuchte die Familie sich selbst in allem einzuschränken. So geschah es, dass Krähensuppe auf den Tisch kam".

Mein Vater versucht locker zu bleiben, wenn er diese Geschichte erzählt. "Es war nicht viel Fleisch dran, sicher nicht soviel wie an einem Hühnerbein, selbst wenn es so ein Hühnerbein war wie das schuppige Unterbein, also der Krallfuss , den ich als Kind einmal in einem Teller als Hauptmenü und einzige Zutat auch bei Bauern vorfand. Weniger dran als an diesem Schuppenbein ist an der Krähensuppe, und sie ist schwarz oder zumindest dunkler". Mein Vater sagt, sie schmeckte "dünn". Doch wie immer sie auch schmeckte, sie war alles, was sie hatten.