ZEIT DER MIGRATION:
DIE PSYCHOSTRUKTUR VON NOMADEN

Philosophy Cafe St.Petersburg

präsentiert eine Diskussion mit lokalen TheoretikerInnen

Kuratiert von Alla Mitrofanova

QUO VADIS Internet Café,
Newsky Prospekt 24, St. Petersburg
und im Internet
21:00 bis 23:00 am 5. Oktober 2003



      Nomadismus: Neukonfiguration der Identität, nomadische Subjektivität (Deleuze, Braidotti), Genderrepräsentation usw. Gegenwärtig haben sehr viele Dinge - Symbole, Zeichen, Identitäten - ihre vormals stabilen Positionen zugunsten fliessender fragmentarischer Zustände aufgegeben. Die Migrationsbewegungen von Menschen, von Zeichen und Werten haben im Verein mit einem neuen Kommunikationsmittel, dem Internet, die Welt umgeformt.

      Der nomadische Mensch trägt sein gesamtes System von symbolischen und persönlichen Werten mit sich. Er/sie muss handlungsfähig sein, innerhalb von Netzwerken Verantwortung übernehmen und kommunikative Qualitäten entwickeln. Nomadische Menschen können nicht destruktiv vorgehen, weil diese Destruktivität auf sie selbst zurückwirken könnte. Unter diesen veränderten Vorzeichen verfügen die Nomaden von heute über keine - innerhalb unseres strukturierten Systems als selbstverständlich -vorgegebenen Werte mehr. Nomadisch zu sein bedeutet vielmehr, eine persönliche, funktionierende Schnittstelle zu den Prozessen des Lebens aufzubauen. Zum Beispiel: nomadische Menschen hängen in ihrem Umfeld weniger an persönlichen Gegenständen und einem stabilen, fix geregelten Alltag als die meisten anderen Menschen in unserer Gesellschaft. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sie der Ehe oder der Karriere besonderen Wert beimessen. Ihre Stabilität wurzelt in ihnen selbst und in ihrer eigenen Loyalität sowie der Loyalität ihrer Freunde und ihrer Familie. Sie scheinen autarker zu sein und stabiler, selbst wenn sie auf die üblichen Absicherungsmechanismen unserer Gesellschaft verzichten -- autonome Wesen, die unabhängige psychische Muster und Techniken der Selbstversorgung und des Überlebens auf der Basis des Allernötigsten ausbilden.

Gesellschaftliche Fragestellungen:
Immer wieder werden neue Normen akzeptiert, an junge Menschen aber als absolute Werte und Spielregeln weitergegeben. Welche Aspekte des Nomadismus hat sich die Gegenwartskultur bereits angeeignet? Welche Bedeutung kommt ihnen zu? Was können Sozialphilosophen über die nomadischen Veränderungen in der gegenwärtigen Gesellschaft sagen?

Ethnografische Fragestellungen:
Der Status der Dinge, Zeichen und Symbole ist heute weit weniger stabil als zuvor- und sie funktionieren auf eine andere Art. Das macht die ethnographische Analyse der nomadischen Gesellschaft und ihrer Systeme besonders interessant. Die Grundwerte und Symbolstrukturen in nomadischen und sesshaften Gesellschaften sollen miteinander verglichen werden.

Subjektive (ethische und psychologische) Fragestellungen:
Die stabile und strukturierte Gesellschaft kennt keine autonomen Funktionen. Die Gesellschaft versucht nun mit ihrer Wertestruktur zu Rande zu kommen, indem sie bereits produzierte Begierden genauso konsumiert wie jene Zeichen für Subjektivität, Privatsphäre oder Freiheit, in denen sich die Menschen verfangen.




Teilnehmer:

Anatolij Vlasov, Andrej Chlobystin, Michail Gaillot, German Preobrezhenskij, Olga Suslova, Alla Mitrofanova, Valerij Savczuk, Ekaterina Starikova, Tatjana Shczepanskaja